Der Zunftschatz,
den wir hüten
Der Bau eines neuen Zunfthauses setzte das Vorhandensein eines Zunftvermögens voraus. Jeder Zünfter hatte einen Halbjahresbeitrag – im 16. Jahrhundert zwei Schillinge, jeder Neuzünfter ein Einstandsgeld zu entrichten. Grössere Bedeutung hatten die Schenkungen einzelner Zünfter, die nicht immer völlig freiwillig erfolgten. Seit 1539 hatte jeder, der in ein Staatsamt gewählt wurde, der Zunft eine Spende zu entrichten, wobei die Silberbecher dominierten. Der so in jeder Zunft entstehende Silberschatz war einerseits Repräsentationsobjekt, anderseits auch ein Vermögenshort, der von der Stadt in Notzeiten ausgemünzt werden konnte. Dies geschah beispielsweise im Zusammenhang mit dem Dreissigjährigen Krieg 1628, mit dem Bau der neuen Stadtbefestigung (1642-1678) oder beim Ersten Villmerger Krieg (1655); im letzteren Fall wurden von den 600 kg Silber aller Zünfte 200 kg eingeschmolzen. Der Silberschatz der Zunft zur Zimmerleuten wog 1596 23,5 kg, 1628 bereits 41,1 kg. Damals musste mehr als die Hälfte eingeschmolzen werden, doch erreichte man bis 1685 wieder 43,5 kg. Eine erneute Einschmelzaktion verstärkte offenbar anschliessend die Spendefreudigkeit, so dass man 1715 wieder auf 39,2 kg war. Auch die Kosten für Speis und Trank an den Zunftveranstaltungen wurden häufig von einzelnen Zünftern vor allem Amtsträgern, übernommen. Selbstverständlich war solches «Sponsoring» vor allem Sache der begüterten Kaufleute und Unternehmer in der Zunft. Es trug somit auch zur Erhaltung des politischen Systems bei: Einerseits war der durchschnittliche Handwerker allein schon wegen des damit verbundenen Aufwandes gar nicht in der Lage, ein Amt zu übernehmen, anderseits aber verschafften ihm die Pracht des Zunfthauses, des Zunftsaals und des Silbers sowie die Unmengen von Speis und Trank bei den Zunftanlässen wenigstens einige Male im Jahr einen Luxus, den er sich zu Hause nicht annähernd leisten konnte. Der Durchschnittszünfter war nicht reich, aber die Zunft war es. Erst das Ende des alten Zürich sollte auch diesen Reichtum in Frage stellen.
Die immer wiederkehrende Abfolge von neu produzierten Stücken und Einschmelzaktionen bringt es mit sich, dass im gegenwärtigen Bestand der Zunft die ältesten Stücke nicht weiter als ins Jahr 1833 zurückreichen. Auch die Prunkstücke des Zunftschatzes, der Adler, der Hobelbecher und der Tausenmann sind Kopien der verschwundenen Originale, die von Zünftern in Auftrag gegeben und der Zunft geschenkt wurden.